Rock Hard 1997

Viel zu lange waren ENTOMBED aufgrund von schier unendlichen Business-Querelen von der Bildfläche verschwunden. Doch gottlob warfen sie nicht das Handtuch, sondern melden sich mit einer exzellenten neuen Scheibe zurück. To Ride, Shoot Straight and Speak the Truth nennt sich das Werk, das nahtlos an das Vorgängeralbum Wolverine Blues anknüpft und einmal mehr ausgesprochen unterhaltsamen Death 'n Roll bietet.

ALEX: Oh ja, es gab etliche Dinge, die bei uns geregelt werden mußten. Wir wechselten die Plattenfirma und das Management und mussten uns einen neuen Bassisten suchen. Ursprünglich hatten wir bei EastWest unterschrieben, doch leider verließ der A&R -Mann, der den Deal für uns klar gemacht hatte, sehr bald die Firma, und es gab dort niemanden mehr, dem wir vertrauen konnten. Also mussten wir die Rechte an "To Ride..." von EastWest zurückkaufen, haben die Scheibe jetzt auf unserem eigenen Label veröffentlicht und für Europa an Music for Nations lizensiert. Was die Vergangenheit betrifft, so sind wir offen gesagt ordentlich über den Tisch gezogen worden. Normalerweise hätte diese Scheibe ja noch bei Earache erscheinen sollen, das wollten wir um jeden Preis verhindern. Sicherlich war das auch einer der Faktoren, die für Verzögerung gesorgt haben.

UFFE: Über unseren alten Manager Frank hatten wir schon schlimme Geschichten gehört. Aber wir verstanden uns gut mit ihm, und es dauerte viel zu lange, bis wir realisierten, dass er wirklich das Arschloch ist, für das ihn alle halten. Er ist auf jeden Fall daran Schuld, dass wir bei den deutschen Konzertpromotern einen schlechten Ruf haben, denn wegen seiner merkwürdigen Geschäftspraktiken mussten wir einige Tourneen absagen.

Kein Wunder, dass es aufgrund der verfahrenen Situation auch innerhalb der Band zu Streitigkeiten kam, mit dem Resultat, dass der langjährige Basser Lars Rosenberg, die Combo verließ und durch den ehemaligen Grave Fourstringer Jörgen Sandström ersetzt wurde. Der hatte nach seinem Ausstieg bei Grave verlauten lassen, er habe die Nase voll vom Musikbusiness, und wolle gar keine Musik mehr machen. Wie habt ihr ihn vom Gegenteil überzeugt?

UFFE: Wir bekamen kurzfristig das Angebot, auf einem großen schwedischen Festival zu spielen. Lars, der damals noch Bandmitglied war, half zu diesem Zeitpunkt gerade den Jungs von Therion auf deren Südamerika-Tour aus. Da wir uns aber diesen Gig nicht entgehen lassen wollten, suchten wir uns einen Ersatz Basser. Jörgen sagte spontan zu und bekam durch diese Show offensichtlich wieder Spaß an der Musik. Als wir ihn nach Lars Ausstieg, ob er festes Mitglied bei ENTOMBED werden wollte, war er jedenfalls Feuer und Flamme - und musste gleich wieder einige "nette" Erfahrungen mit dem Musikbusiness machen, denn er gehört jetzt seit zwei Jahren zum Line-Up und die Platte ist gerade erst erschienen...

Angesichts der langen Zwangspause müsste sich das Songmaterial im Hause ENTOMBED doch langsam stapeln. Insofern verwundert es, dass der neue Longplayer gerade mal auf eine Spielzeit von 40 Minuten bringt...

ALEX: Das war von uns so gewollt. Wir hätten genug Songs für drei Alben gehabt, aber da wir alle beinharte Vinyl-Freaks sind und die Scheibe unbedingt auch als LP erscheinen soll, durfte sie nicht länger werden, da man nicht mehr als 20 Minuten Musik auf eine Vinyl-Seite packen sollte. Wir haben auch die Songreihenfolge ganz auf das Langspielplatten-Format ausgerichtet: Der erste Song der zweiten Seite mußte unbedingt ein echter Killer sein...

..was die entsprechende Nummer, "Parasight", auch zweifelsohne is. Und um die Sache noch mehr aufzuwerten, soll der Erstauflage der Vinyl-Edition noch eine 10' -EP beiliegen, für die ENTOMBED einige Coversongs aufgenommen haben.

ALEX: 40 Jahre lang waren 40 Minuten eine völlig normale Länge für ein Album. Warum soll das jetzt anders sein? Nur weil Vinyl-Scheiben immer teurer werden? Daran sind die Plattenfirmen schuld und nicht die Bands.

Doch auch die CD-Erstauflage wird noch einen Bonus-Silberling mit Coverversionen enthalten, allerdings andere als die Vinyl-EP. Insgesamt haben die Schweden acht Covertunes eingespielt, u.a. von MC5, Venom, Twisted Sisters, The Dwarfs, King Crimson, Black Sabbath und Bob Dylan.
Zwischen den beiden Alben Wolverine Blues und Clandestine wurde eine große stilistische Kurskorrektur vorgenommen. Hängt die plötzliche Liebe zum Rock 'n Roll vielleicht damit zusammen, dass sich ENTOMBED seit jener Zeit den Proberaum mit den Backyard Babies, einer der geilsten schwedischen Rock 'n Roll - Kapellen, teilen?

ALEX: Gut möglich. Zunächst ließen wir uns nur mit ihnen ein, weil sie eine erstklassige Anlage besaßen, aber schon sehr bald entwickelte sich eine dicke Freundschaft zwischen den Bands, und vielleicht haben sie uns tatsächlich unbewußt mit ihrem Sound ein wenig beeinflußt.

Natürlich ist "To Ride.." auf ihre Weise eine sehr beeindruckende Scheibe, die für verdammt gute Laune sorgt. Andererseits hatten viele Fans gewünscht, dass die Band wieder ein wenig mehr zu ihren Death Metal-Roots zurückkehren würde, um der ganzen DM-Szene einen Schub nach vorne zu geben.

UFFE: Selbst wenn wir wollten, wir könnten gar kein Album wie Left Hand Path mehr schreiben. Mit dem Track "Wreckage" haben wir es sogar versucht, weil wir unbedingt eine schnelle Nummer auf der neuen Langrille haben wollten, aber irgendwie hat sich dann doch wieder ein sehr eingängiger, melodischer Refrain eingeschlichen...

To Ride, Shoot Straight and Speak the Truth ist nicht nur einfach ein Albumtitel, sondern ein Statement der Band, das auf die ganzen Widrigkeiten der letzten Jahre gemünzt ist und aufzeigen soll, dass sich ENTOMBED einen Dreck um die Spielregeln des Business scheren und stattdessen nur das machen, worauf sie Bock haben.

Das von der letzten Rock Hard-CD bekannte Stück "Damn Deal Done" scheint ebenfalls in direktem Zusammenhang damit zu stehen.

ALEX: Aber nur was den Songtitel betrifft. Unser neuer Manager meinte nach endlosen Verhandlungen mit Earache einmal am Telefon: "I just want to get this damn deal done." Um diesen Spruch herum bauten wir die Lyrics zu dem Stück auf, die aber nicht nur von unserer Situation handeln, sondern generell von Leuten, die fanatisch für eine Sache kämpfen, weil sie glauben, im Recht zu sein. Hinterher stellen sie leider oft fest, dass das genaue Gegenteil der Fall ist.

Und was steckt hinter "Uffe´s Horrorshow"?

UFFE: Die Musik zu diesem Song ist ziemlich abgedreht. Ich wollte das Stück eigentlich nur "Horrorshow" nennen, aber im Studio machten alle immer Witze, so nach dem Motto: "Achtung,jetzt kommt Uffes Horrorshow!" Na ja, und den Titel haben wir einfach beibehalten. Der Song ist sehr stark von einer Amphetamine Reptile-Band namens Hammerhead beeinflußt, die völlig durchgedrehte Musik jenseits aller Limits macht.

Den Spaß an der Musik haben ENTOMBED offensichtlich trotz aller Probleme der letzten Jahre noch nicht verloren, auch wenn ich mir vorstellen könnte, dass die Jungs heutzutage eine ganze Ecke mißtrauischer sind und viel von der sympathischen Naivität früherer Jahre verloren haben.

ALEX: Wir haben gelernt, dass wir uns mehr um die Business-Seite kümmern müssen. Das macht zwar keinen Spaß, aber es ist wichtig. Doch als Job im eigentlichen Sinne sehen wir ENTOMBED natürlich nicht. Sobald wir auf der Bühne stehen und die Fans zu unseren Songs abgehen, ist der ganze andere lästige Kram, um den man sich kümmern muss, vergessen. Die Live-Shows wiegen alles auf. Da wir aber in den letzten zwei Jahren praktisch überhaupt nicht Live spielen konnten, hat sich der Ärger natürlich aufgestaut und wartet nur darauf, bei den nächsten Gigs abgelassen zu werden. Es ist einfach grauenhaft: Du willst rausgehen und Gitarre spielen; stattdessen hängst du aber am Telefon und schlägst dich mit Rechtsanwälten, Plattenfirmenleuten und Managern herum. Glücklicherweise kamen zwischendurch immer wieder kleine Geldspritzen, so daß wir nie irgendwelche Jobs annehmen mußten und uns ausschließlich auf die Musik konzentrieren konnten. Trotzdem leben wir teilweise am Existenzminimum. Speziell in Europa müssen wir praktisch von vorne anfangen, aber wir sind bereit, möglichst viele Shows zu spielen, um uns zurückzumelden und vielleicht sogar mal ein bißchen Kohle zu verdienen.

Es sei den Jungs gegönnt. Abschließende Frage: Gebt ihr mittlerweile zu, dass euer Drummer Nicke die Vocal-Parts auf Clandestine eingesungen hat, oder bestreitet ihr das immer noch?

ALEX: Nein, nein, das ist Vergangenheit. Es stimmt: Nicke hat die Clandestine - Scheibe damals tatsächlich eingesungen.

Ich frage mich, warum die Band daraus immer ein Staatsgeheimnis gemacht hat...

FRANK ALBRECHT

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