![]() Welches Kapitel man in der Geschichte der Beinahe - Legende ENTOMBED auch aufschlägt , eines wird man immer wieder feststellen:
Diese Band hat ständig Maßstäbe gesetzt und gilt als Vorbild für unzählige Jungspund-Combos Daran wird auch Album Nummer fünf Same Difference nichts ändern.
LG: Allerdings wird nicht jedem musizierenden ENTOMBED - Fan das passieren, was wir gestern erlebt haben, grinst Frontmann L.G. Petrov über meine Laudatio, als wir uns in einem Bochumer Hotelzimmer gegenübersitzen und genüßlich die Bude vollqualmen.
Was war passiert? Der Sangesmeister und Gitarrist Alex Hellid schlüpften am Vortag in schicke, mehr oder minder maßgeschneiderte Anzüge der Marke ,Trauzeuge, fuhren ins benachbarte Gelsenkirchen und trafen sich mit dem Producerteam von VIVA-Virus, um gemeinsam mit den TV-Metallern den örtlichen Zoo zu besuchen - und so ganz nebenbei eine Sendung zu drehen. Eigentlich eine tolle Idee, dachte sich die schwedisch-deutsche Härtnerdelegation.
Solange nur die Bewohner eines Ruhrpott Tierparks schockiert die Biege machen und nicht eure Fans angesichts der Neuerungen, die der aktuelle Longplayer bietet, ist ja noch alles im Lot. Habt ihr Angst, euer altes Publikum zu vergraulen?
ALEX: Überhaupt nicht. Jeder Mensch, der unsere alten Platten mag und gesunde Ohren hat wird Same Difference als ein ENTOMBED Album erkennen.
Aber die Unterschiede zu To Ride, Shoot Straight And Speak The Truth sind doch gravierend...
ALEX: So kraß sehe ich das nicht. Okay, das Aufnahmestudie war viel besser, und wir hatten für die neue Platte mehr Zeit. Somit kannten wir eine klare Linie in die Songs bringen und sie eingängiger gestalten. Die Songs sind übrigens taufrisch. Das Material für 'To Ride...` war bereits zwei Jahre vor dem Studiotermin fertig. Und als wir endlich aufnehmen konnten, spukten schon die nächsten Ideen in unseren Köpfen herum.
Nicht zu vergessen: Vor einigen Monaten kehrte euch Drummer Nicke, der bislang die Songs schrieb, den Rücken, um mit den Hellacopters reich, begehrt und berühmt zu werden.
ALEX: Nicke war nicht der alleinige Songwriter, auch wenn er einen Grauteil der Stücke geschrieben hat. Alle anderen Randmitglieder brachten ebenfalls Ideen mit ein.
Nach Nickes Weggang fiel die größte Last auf ihn: Jetzt ist er der maßgebliche Songwriter.
ALEX: Anfangs stand ich ganz schön unter Druck und fühlte mich auch nicht ganz wohl. Aber nachdem wir mit Peter, unserem neuen Drummer, einige Gigs bestritten hatten und ich merkte, welch positiven Spirit unser neues Line-up versprüht machte ich mir plötzlich gar keine Sargen mehr um die neue Scheibe. Ich wellte, es würde funktionieren - und es hat funktioniert. Ob ich fürchte, dass wir unsere Fans vergraulen werden? Das hatten einige Leute ja schon beim letzten Album gedacht, aber bislang hat mir nach kein Fan ins Gesicht gesagt, dass er unsere Entwicklung scheitle findet. Und was irgendwelche Meckerfritzen hinter unserem Rücken erzählen, hat mich noch nie interessiert.
Peter, der ebenfalls in Stockholm lebende neue Drummer, ist im Grunde seines Herzens Death-Metaller und setzte in der Vergangenheit Akzente bei Hunds wie Mercyless (übrigens die einzige Death Metal-Band, die einst Mayhems Euronymous auf seinem Label Deathlike Silence Productions duldete) und Face Down. Sein derber, todesmetallischer Drumming-Stil bildet einen interessanten Kontrast zum sonnig-kernigen Rockspirit der ENTOMBED Gitarristen.
LG: Stimmt, Peter spielt ganz anders als Nicke. Und das war ja auch unser Ziel. Einerseits wallten wir neue Wege gehen, andererseits all unsere Trademarks beibehalten.
Du singst manchmal mit klarer Stimme...
Das ergab sich zwangsläufig. Wenn bei einem Sang wie 'The Supreme Good' die Gitarren sowohl höher als auch sehr rhythmisch klingen, kann man das nicht gnadenlos niederbrüllen. Das würde alles kaputtmachen.
Dann seid ihr definitiv keine Fans von Gorefest...
ALEX: Stimmt. Aber die ziehen ihr Ding durch. Respekt dafür, auch wenn es nicht gerade unsere Sache ist.
Sind denn die Hellacopters eure Sache?
ALEX: Klar, wir mögen sie. Wir sehen uns oft, hängen in den gleichen Kneipen ab und treffen uns bei Konzerten. So riesig ist Stockholm ja auch wieder nicht, fügt der neuerdings Projekt-verliebte Sänger hinzu, der uns im nächsten Jahr ein - surprise, surprise! - Grindcore-lustiges Album bescheren wird, das er gemeinsam mit Shane Embury (Napalm Death) und Nick ´Urrate Fester' (Cradle Of Filth) eingeschmettert hat.
Doch noch mal zurück zum Wohnart des Fünfers: Wird in Schwedens Hauptstadt der Rock'N Roll immer populärer, so ist in Göteborg die düstere Lehre des Death- und Black Metal ein ungeschriebenes Gesetz. Zwei Städte in einem Land und doch so krasse Gegensätze.
ALEX: Ich frage mich oft, warum das so ist. Vielleicht lebt's sich in Stockhohn einfach relaxter, eventuell bietet unsere Stadt mehr Möglichkeiten für Parties und Spalt. Wer weilt. Man hört manchmal die heftigsten Geschichten über Göteborger Bands. Kontakt zu denen haben wir allerdings nicht denn ehrlich gesagt interessiere ich mich überhaupt nicht mehr für Death Metal. Und Block Metal hat mir nach nie etwa gegeben. Wir sind eh die letzten, die irgendwo mitbekommen. Vor zwei Jahren erzählten nur deutsche Fanzine-Schreiber, wie fall sie In Flame fänden. So erfuhr ich von der Existenz diese Band... Früher, als wir Clandestine gerade veröffentlicht hatten, warfen uns norwegische Band vor, wir seien Verräter, denn wir würden uns nicht ernsthaft mit dem Thema "Tod" beschäftigen. Als seien wir Life Metal - und nicht Death Metal Und Liefe Metal müsse selbstverständlich ausgerottet werden.
LG:
ENTOMBED hatten schon immer Nacheiferer. Mit ihrem Erstling Left Hand Path inspirierten die damaligen Teenager viele europäische Musiker. Es folgte ein grenzüberschreitendes Herunterstimmen der Gitarren und ein nie zuvor dagewesener Baum an radikalsten Sounds. Death Metal - da dachte man automatisch an die Jungs aus Stockhohn. Heutzutage wiederum outen sich Schmutzrocker wie Gluecifer oder Turbonegro als beinharte ENTOMBED - Fans. Erstere produzierten ihr aktuelles Album nur deshalb im Sunlight Studio, weil dort L.G., Nicke & Co. Meilensteine einholten. Selbst deutsche Todesmörtel-Kapellen, die noch vor sechs, sieben Jahren hartnäckig irgendwelche Reinheitsgebote predigten, schmücken sich plötzlich über Nacht, aber dennoch viel zu spät (weil unsere schwedischen Helden bereits wieder einen Schritt weiter sind) mit dem Prädikat Death'n'Roll. Woher sie das wohl haben mögen?
ALEX: Egal, ab wir zehn oder 100.000 Alben verkaufen: Ich freue mich jedesmal sehr, wenn sich Bands auf uns berufen. Das kann uns keiner weg nehmen, egal was kommt.
LG: Eigentlich waren wir nie mehr als auch ,nur "Nacheiferer". ENTOMBED entstanden, weil wir jene böse und unkommerzielle Musik spielen wollten, deren Fans wir selbst waren. Und heutzutage üben halt Block Sabbath, die Bad Brains und PJ Harvey gleichermaßen Einfluß auf uns aus. Wir werden uns sogar an einem Bad Brains Tribute Album beteiligen. Vorausgesetzt, wir finden die Zeit dafür.
fügt der Frontar an und liefert mir so das Stichwart für einen - ähem - unglaublich cleveren Übergang zum nächsten Thema unserer Talksendung: Apropos Freizeit, man hört, dass ihr regelrechte Sportfanatiker seid...
ALEX: Na ja, ich snowboarde manchmal.
LG: Und ich latsche am Wochenende erst zu meiner Mutter, um mir bei ihr mal richtig den Magen vollzuhauen, und danach geht's ins Eishockey-Stadion«, meint L.G. und grinst schon wie ein Honigkuchenpferd.
Du Hooligan!
LG: Was heißt hier Hooligan? Na ja, okay, da war mal so ein Tag, ähem, an dem uns der Schiedsrichter total betragen hatte. Aus Rache haben ein paar Kumpels von mir das Auto dieses Mannes umgeschmissen. Ich aber nicht! Ich hab's blau gesehen und stand eher abseits. Mmh, äh, ein bißchen nach geholfen habe ich wohl auch noch...«
WOLF-RÜDIGER MÜHLMANN |