Rock Hard 2000

Uprising als Albumtitel, eine fiese Fratze als Coverbild und ein zutiefst räudiger Sound

ENTOMBED haben nach ihrer eher gemäßigten Scheibe Same Differente wieder Blut geleckt. Meint auch Gitarrist und Hauptsongwriter Uffe Cederlund. Jedenfalls haben weite Teile der europäischen Heavy Musikpresse nach dem Genuss des nunmehr sechsten Longplayers Jubelarien angestimmt. Manche Journalisten scheinen allerdings gar nichts zu raffen und behaupten gar (wie der englische Kerrang!), ENTOMBED hätten sich wieder auf ihre Death Metal Wurzeln besonen. Vielleicht sollte mal jemand den Inselkerlen eine Kopie von Left Hand Path schicken, damit die peilen, was schwedischer Death Metal ist...

UFFE: Wir haben seit einigen Jahren überhaupt nichts mehr mit Death MetaL zu tun. Das ist unsere Vergangenheit, und diese haben wir endgültig abgehakt, reagiert Uffe empfindlich auf die Gerüchte und auf entsprechende Begehrlichkeiten der ENTOMBED-Fans der ersten Stunde. Ich höre mir Left Hand Path allerdings noch immer gern an - im Gegensatz zu Clandestine. Das Album mag ich nicht so.

Aber es hat doch den Anschein, dass wir auch auf Druck der Fans wieder einen ganzen Zacken härter geworden seid. Andre behaupten gar, dass ihr mit Uprising nun ein Album herausbringt, auf das ihr eigentlich gar keinen Bock habt.

UFFE: Das ist Unsinn! Wahr ist, dass wir während der Same Differente-Tour vor allem in England und Italien mit vielen kritischen Faustimmen konfrontiert worden sind. Während die Kritiken in England noch nachvollziehbar waren, da die Fans ein Album wie To Ride, Shoot Straight And Speak The Truth erwartet hatten, fällt mir zu unseren italienischen Anhängern echt nichts mehr ein. Die kamen zu unseren Konzerten mit Nietenarmbändern, Nietengürtetn und Death MetalShirts der Marke Unleashed oder Deicide und meckerten rum, weil wir keinen Left Hand Path-ähnlichen Stoff mehr veröffentlichen. Die haben über fünf Jahre fang nicht gemerkt, dass wir uns schrittweise komplett verändert haben.

Die Erlebnisse auf Tour scheinen sich sehr deutlich auf das Songwriting für Uprising ausgewirkt zu haben...

UFFE: Damit wir uns nicht falsch verstehen: Uprising ist haargenau das Album, das ich haben wollte. Es hätte statt Same Differente kommen müssen. Bei uns gibt's keine Unehrlichkeit. Wenn wir unehrlich wären, hätten wir beizeiten ein Death Metal-Album gemacht. Dann wären die meisten Fans glücklich gewesen - wir allerdings nicht.

In welchem Land waren die Fans während eurer Europatour denn am tolerantesten?

UFFE: In Deutschland. Zwar spielten wir in kleineren Clubs, aber ständig ging die totale Party ab, egal welchen Song wir auch spielten.

Betrachtest du Same Differente' im Nachhinein als Fehler?

UFFE: So krass würde ich es nicht ausdrücken, aber es kommt einem Fehler ziemlich nahe. Das größte Problem war, dass wir nach dem Ausstieg von Nicke viel zu früh ins Studio gegangen sind. Wir wollten so schnell wie möglich beweisen, dass wir auch ohne ihn prächtig klarkommen. Aber ab nun mit oder ohne Nicke: Man schreibt und produziert kein Album über Nacht wenn es gut werden soll.

Was hast du an Same Differente auszusetzen?

UFFE: Es ist zu glatt und harmlos. Uprising hingegen ist ein waschechtes ENTOMBED Album. Es steckt voller Emotionen, ist der vielzitierte Tritt in den Arsch. Same Differente klang eher nach Musikern, die satt sind und es lieber relaxt mögen.

Live lasst ihr es jedenfalls alles andere als relaxt angehen...

UFFE: Genau! Wir sind auf der Bühne nicht weniger rabiat und heftig als vor acht Jahren. Nur: Dieses Feeling sollte man auch auf einem Album festhalten können. Das mussten wir ganz neu lernen.

Nach dem Weggang eures Drummers Nicke, der mit den Hellacopters aufgebrochen ist, um Rock'n'Roll-Star zu werden, hast du bei ENTOMBED das Zepter übernommen und schreibst den Großteil der Stücke. Was ist in puncto Songwriting der größte Unterschied zwischen dir und Nicke?

UFFE: Ich habe jahrelang zu Nicke rübergeschielt. Er war schon eine Art Vorbild für mich. Ich denke jedoch, dass ich mehr Headbanger-Stoff Liefere als Nicke. Er ist der Rock'n 'Roller, ich bin eher der Metaller. Ich sehe ENTOMBED auch nach wie vor als Metal-Band.

Klingt gleichermaßen trotzig wie selbstbewusst. Müssen wir den Songtitel 'Returning To Madness' in diesem Zusammenhang sehen?

UFFE: Nicht nur. Einerseits beziehe ich mich auf die globale Lage und den Totalcrash, auf den die Menschheit zusteuert. Andererseits darf man den Titel durchaus als Statement von ENTOMBED verstehen. Diese Band ist doch schon etliche Male totgesagt worden. Langsam wird's langweilig. Haben die Pessimisten nicht mal ein neues Gerücht auf Lager?

Ihr schneidet in euren Texten immer wieder politische oder zumindest gesellschaftlich relevante Themen an, vermittelt aber nie den Eindruck, eine politische Band zu sein. Geschieht dies bewusst?

UFFE: Natürlich, denn wir sind keine politische Band. Wir geben als Band nie politische Statements ab, schon gar nicht bei Live-Konzerten. Da heißt das einzige Statement: "Party on!" Aber die einzelnen Bandmitglieder sind zutiefst politisch denkende Individuen. Jeder von uns interessiert sich brennend dafür, was in der Welt und vor der eigenen Haustür passiert.

Man liest in letzter Zeit häufig von einer immer größer werdenden Nazi-Szene in Schweden. Seid ihr mit dieser bereits konfrontiert worden?

UFFE: Glücklicherweise noch nicht. Aber in den Vororten der schwedischen Städte geht es tatsächlich immer heftiger zur Sache. Der schwedische Sozialstaat hat in den letzten Jahren viel Federn lassen müssen. Die Arbeitslosenquote steigt, und der Wohlstand sinkt ganz rapide. Das ist ein idealer Nährboden für Extremismus. Bislang steht die Gesellschaft diesem Problem weitgehend machtlos gegenüber. Irgendwie fehlt auch der Mut, sich ernsthaft mit den Nazis auseinanderzusetzen.

Wie seid ihr eigentlich darauf gekommen, mit 'Scottish Hell' ein Stück der total unbekannten amerikanischen Punkband Dead Horse zu covern?

UFFE: Das war meine Idee. Ich verehre diese Combo seit Ewigkeiten, weil sie einerseits voll chaotisch herumrumpelte und andererseits stets coole Melodien parat hatte. Außerdem sehen die Musiker von Dead Horse eher wie Metaller aus. Alles erinnert also ein wenig an ENTOMBED.

Vor kurzem haben Relapse Records den Backkatalog von Dead Horse wiederveröffentlicht.

UFFE: Ich habe mir das Zeug auch noch einmal auf CD gekauft. Echt coole Aktion! Vor fünf oder sechs Jahren sah ich die Band mal live in den Staaten. Das war eine richtig kranke Punkrock-Show.

Wie ist es eigentlich um dein Interesse an der schwedischen Metal-Szene bestellt?

UFFE: Na ja, eher so mittel. Ab und an ziehe ich mir mal das Album oder Demo einer talentierten Band rein. Derer gibt es aber nicht mehr so viele wie früher. Wenn ich mir Sachen wie Hammerfall und diese anderen Helloween-Clones anhöre, frage ich mich ernsthaft, wieso die Leute das kaufen. Diese Bands sind doch nur ein Schatten der Originale. Einige Death MetaL-Acts höre ich mir auch noch an, aber mit Black Metal kann ich echt nichts anfangen.

Hast du mit Uprising im Gepäck Angst vor eurer nächsten Tour?

UFFE: Nein, haha. So schlimm war die letzte Tour ja nun auch wieder nicht. Es wird halt immer Fans geben, die in der Vergangenheit leben. Außerdem gab es ja auch lustige Begebenheiten mit solchen Leuten.

Erzähl!

UFFE: Einer kam auf unseren Bassisten Jörgen zu und forderte ihn auf, eine GraveReunion zu starten. Der Typ bot sich sogar als Frontmann an und brüllte Jörgen pausenlos Grave-Texte ins Ohr!

WOLF-RÜDIGER MÜHLMANN

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