Jedel Mal, wenn die skandinavischen Holzhacker ein neues Album veröffentlichen, heulen die Pessimisten auf und sagen der Band ein baldiges Ende voraus. Doch ebenso regelmäßig treten ENTOMBED unbeeindruckt weiter Arsch. Und mit Morning Star haben die Schweden sogar wieder einen Meilenstein abgeliefert.

Je länger Gitarrist Uffe Cederlund als Hauptsong,vriter auf sich alleine gestellt ist, desto besser wird der Mann. Während die Stockholmer für Same Difference das erste Album nach dem Weggang von Hellacopters - Nicke - noch heftige Kritik ernteten, war das wesentlich rohere Uprising wieder ein Schritt in die richtige Richtung. Mit Morning Star haben Meister Cederlund und seine Kollegen indes ein Werk eingerockt, das sich sogar mit der Größe von Wolverine Blues messen kann.

UFFE: Es ist allerdings nicht so, dass ich unsere letzten beiden Alben unbedingt vergessen möchte. Wir haben stets die Veränderung gesucht. Unsere nächste Scheibe wird sicherlich nicht wie Morning Star klingen. Es wäre ja auch ein Armutszeugnis, wenn wir versuchen würden, unsere erfolgreichsten Alben zu kopieren.

ENTOMBED klingen heutzutage entschieden todesmetallischer als in den vergangenen drei Jahren. Hast du durch dein Death Metal-Projekt Murder Squad wieder Blut geleckt?

UFFE: Nein, das sind zwei völlig verschiedene Paar Schuhe. Murder Squad gibt es, damit ich meine Lust auf schnellen Death Metal befriedigen kann. Es geht um Sounds, die nicht zu ENTOMBED passen. Angenommen, wir würden mit ENTOMBED die pure Death Metal-Schiene fahren: Dann würde es Murder Squad nicht geben. Wozu auch?

Kannst du die Musik von ENTOMBED kategorisieren?

UFFE: Wir spielen keinen puren Death Metal. ENTOMBED ist alles - Death Metal, Thrash Metal, Metal, Rock'n'Roll.

Aber ihr geht rabiater zu Werke als so manche selbstnannte Death Metal-Band.

UFFE: Das kann schon sein. Allerdings habe ich eine andere Beziehung zu Death-Metal. Wenn ich von Todesmetall spreche, dann meine ich nämlich die alten Bands wie Autopsy. Und im Vergleich zu denen sind wir kein Death-Metal.

Zumindest inhaltlich nicht...

UFFE: Absolut nicht. Alex und ich schreiben alle Texte. Bei mir geht's meistens um die Realität. Ich beobachte diese Scheißwelt und schreibe meine Gedanken nieder. Meine Texte sind samt und sonders pessimistisch, obwohl ich eigentlich ein fröhlicher, umgänglicher Typ bin. Alex hingegen schreibt lustige Texte über den Teufel und die Hölle. Für ihn ist Satan der 'Chief RebeL Angel'. So heißt auch der Opener der neuen Scheibe.

Und was ist die 'City Of Ghosts'?

UFFE: Stockholm.

Mir kommt eure Stadt aber eher wie die "city of rock'n roll" vor.

UFFE: Ja, aber nur dann, wenn du Stockholm oberflächlich betrachtest. Immer weniger Menschen leben nach ihrem eigenen Willen. Sie vegetieren, sie Leben nach Plan. Früh latschen sie zur Arbeit, abends kommen sie müde nach Hause, glotzen Fernsehen und gehen ins Bett. Ich habe mein Leben fang versucht, aus solch einem Zyklus auszubrechen. Ich glaube an die Selbstentfaltung, obwohl ich nicht nur von der Musik lebe.

Womit verdienst du dein Geld?

UFFE: Ich betreue behinderte Menschen und fahre sie in ihren Rollstühlen spazieren. Es erfüllt mich mit Freude,wenn ich anderen Menschen helfen kann.

Im vergangenen Jahr habt ihr Iron Maiden in Europa und Kanada supportet. Ist das Flaggschiff des Heavy Metal ein wichtiger Einfluss für euch?

UFFE: Na ja, eigentlich nicht. Als Jugendlicher hörte ich Maiden, vor allem Number Of l-he Beast; Piece Of Mind und Powerslave. Es ist cool, auf der gleichen Bühne wie Maiden zu stehen. Aber ich denke mal, dass Steve Harris und seine Jungs unseren Sound überhaupt nicht mögen. Wir haben die Herrschaften auch kaum zu Gesicht bekommen. Die Maiden-Crew hingegen liebte uns.

Was ist an dem Gerücht dran, dass ihr im nächsten Jahr mit dem Königlich Schwedischen Ballettensemble zusammenarbeiten werdet?

UFFE: Es gibt Pläne dafür. Zwei Typen, die sowohl dem Ballett nahe stehen als auch unseren Sound mögen, haben das eingefädelt. Wir werden dem Ballett wohl zwei Stücke geben, mit denen es arbeiten kann. Ich stelle mir das sehr witzig vor, wenn sich Ballett-Tänzer zu unseren Songs bewegen.

Interessierst du dich für Ballett?

UFFE: Absolut nicht. Ich finde klassische Musik interessant und werde auch manchmal davon beeinflusst. Ballett fand ich hingegen immer etwas abartig.

Ihr ändert von Album zu Album euer Bandlogo. Hat das etwas mit den musikalischen Veränderungen zu tun?

UFFE: Quatsch. Wir passen das Logo nur dem Layout des Albumcovers an, das ist alles. Einige Fans reagierten etwas merkwürdig, als wir für "Uprising" ein Logo verwendeten, das man nur von unserem Demo her kannte. Die Leute dachten, dass wir uns der Death Metal-Szene anbiedern wollten. Das ist völliger Unsinn. Egal, wie viel wir verkaufen: Wir haben es nicht nötig, uns anzubie dern.

Wie viele CDs habt ihr von Uprising verkauft?

UFFE: So ungefähr 45.000 Stück weltweit. Das ist ganz okay.

Was war euer erfolgreichstes Album?

UFFE: Wolverine Blues. Davon wurden an die 150.000 Einheiten abgesetzt. Mir ist klar, dass wir solche Stückzahlen nie wieder erreichen werden. Musik wird niemals mein Beruf werden, sondern ein halbwegs gut bezahltes Hobby bleiben. Und deshalb schreibe ich die Songs, auf die ich wirklich Bock habe.

Ohne Kalkül?

UFFE: Ohne Kalkül. Warum auch? Die Öffentlichkeit hat sehr empfindliche Sensoren dafür, ob jemand ehrlich ist oder nur nach der Kohle schielt.

Hörst du Popmusik? Gehst du in Discotheken?

UFFE: Nö, wenn ich auf Piste gehe, dann meistens in Kneipen. Ich treffe mich mit Kumpels und trinke mit ihnen.

Kennst du die ENTOMBED-DVD, die Earache kürzlich veröffentlicht haben?

UFFE: Nein, denn erstens denken Earache im Traum nicht daran, uns Belegexemplare zu schicken, und zweitens, besitze ich keinen DVD-Player. Aber was ist mit dieser DVD?

Sie ist von mieser Bild- und Tonqualität.

UFFE: Also haargenau das, was eine DVD nicht sein darf, Ich hoffe, dass Earache auf diesem Produkt sitzen bleiben denn obwohl dieses Label noch fleißig Alben von uns verkauft, haben wir seit Jahren keinen Pfennig aus den Verkäufen gesehen. So eine Verbrecherbande!

Gibt es eigentlich ein ENTOMBED-Album, für das du dich schämst?

UFFE: Um Himmels willen, nein! Das einzige Album, das ich heute anders machen würde, ist Same Difference. Diese Scheibe haben wir einfach zu früh eingespielt. Ansonsten kann ich ganz ehrlich sagen: Ich bereue nichts!

WOLF-RÜDIGER MÜHLMANN

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